Interview mit Frank Intert


Allgemein / 09. Apr 2017  


2011 war der Tennisclub Rot-Weiss Wahlstedt auf dem Höhepunkt seiner sportlichen Leistung: Die Damenmannschaft schlug in der 1. Bundesliga auf. Neben dem rumänischen Tennis-Star Simona Halep (WTA 4) schlugen auch Mona Barthel (z. Zt. WTA 111, 2013: WTA 34) und vorher Julia Görges (WTA 57, 2012: WTA 18) für Wahlstedt auf. Beim Heimspiel gegen Radolfzell konnte man Angelique Kerber in Wahlstedt bewundern.

In der Sommersaison 2017 nun meldet Wahlstedt seine 1. Damenmannschaft (Regionalliga) vom Spielbetrieb ab und hat somit nur noch ein Damen-Team in der Nordliga.

Die Segeberger Zeitung sprach mit dem Chef von Tennis Wahlstedt, Dr. Frank Intert, über die Hintergründe, den Tennis-Nachwuchs  und veränderte Strukturen.

SZ: Dr. Intert, warum hat Wahlstedt seine 1. Damenmannschaft abgemeldet?

Dr. Intert: Um auf Erst- oder Zweitliganiveau mithalten zu können, mussten wir Spielerinnen mit Weltranglistenpunkten verpflichten, um die Spielklasse zu halten und damit talentierten Spielerinnen aus der Region eine Bühne zu geben, sich auf höchstem Niveau zu vergleichen und zu entwickeln. Die Stars standen aber nicht immer zur Verfügung. Das war keine Erfolgsgeschichte. Wir fühlen uns in Wahlstedt in erster Linie denjenigen Spielerinnen und Spielern verpflichtet, die sich uns anvertrauen, wenn es darum geht, ihre Tennisfertigkeiten zu verbessern und ihre Tenniskarriere zu planen.

SZ: Was bedeutet das?

Dr. Intert: Es gibt einen Umbruch, einen Neustart in der Nordliga. Manche unserer bisherigen Spielerinnen verfolgen andere persönliche Ziele als leistungsorientiertes Tennis, andere spielen an Collages in den USA und manche versuchen, ihren Weg im Profitennis zu finden. An der Startlinie stehen jetzt junge Mädchen, wie Lilly Düffert, Sibel Demirbaga oder Malin von Düsterloh, die wir für längere Zeit begleiten wollen. Dahinter gibt es weitere, noch jüngere Talente, für die wir ebenfalls eine Mannschaft bilden werden.

SZ: Bleiben auch erfahrene Spielerinnen?
Dr. Intert: Ja, diese flankieren den Nachwuchs und werden darauf achten, dass ein echter Teamgeist entsteht. Carolin Schmidt ist als Nummer 1 eine erfahrene Führungsspielerin. Janine Weinreich, Lydia Steinbach und Katharina Brown werden ihre Erfahrung einbringen. Sie spielen selbst mit, übernehmen aber auch das Coaching. Die Youngster werden dazu auf Turnieren betreut sowie bei der Turnierplanung beraten.

SZ: Wohin soll der Weg führen?
Dr. Intert: Wir haben ein ähnliches Projekt schon einmal gestartet. Erste und zweite Damenmannschaft werden nun zur Nordligamannschaft zusammengefasst. Dadurch verfügen wir über einen deutlich grösseren Kader, so dass die Spielerinnen auch jederzeit ihren Turnierverpflichtungen nachkommen können. Sportliches Ziel ist es, um den Aufstieg in die Regionalliga zu spielen. Vielleicht kommt es später zu einer Rückkehr auf die Bundesebene.

SZ: Das Tenniszentrum Wahlstedt hat sich stark verändert

Dr Intert:  Wenn wir unsere Infrastruktur mit der von vor zwei Jahren betrachten, wird deutlich, dass die Bereitschaft ungebrochen ist, in Tennis zu investieren. Die drei Hartplätze samt der sie im Winter überdachenden Traglufthalle legen ein Zeugnis davon ab, dass wir professionelle und zukunftsgerichtete Trainingsbedingungen vorhalten. Die drei dahinter liegenden, wie Ascheplätze aussehenden, Allwetterplätze sind dazu geeignet, zu jeder Zeit im Jahr (wenn die Temperaturen es zulassen) Tennis zu spielen und damit die Outdoorsaison deutlich zu verlängern. Der Trainerstab, der sich mittlerweile in Wahlstedt aufhält, ist um ein vielfaches angewachsen.

SZ: Das Leistungszentrum Schleswig-Holstein ist in Wahlstedt beheimatet

Dr. Intert: Ja, die Struktur ist so gut, wie nie. Wir fangen schon mit der Ballschule an, mit der wir in Kindergärten und Schulen gehen. Für Kinder ab acht Jahre gibt es unsere Tennisschule, wo sie nach dem Play-and-Stay- Didaktikkonzept der ITF ausgebildet werden. Dazu kommt ein Talent-Fördertraining, das weiter geht als normaler Vereinssport.

SZ: Was verbirgt sich hinter der Tennis-Werkstatt?
Dr. Intert: Das ist eine vor zwei Jahren gegründete Akademie für junge, professionelle Tennisspieler, wie zum Beispiel George von Massow, die von Herby Horst und Maik Schürbesmann  geleitet wird. Begleitet wird diese Spitzenförderung von A-Trainern des Deutschen Tennisbundes.

SZ: Trotzdem spielen längst nicht alle Talente aus Schleswig-Holstein in Wahlstedt

Dr. Intert: Wir haben eine große Nachfrage. Es ist jedoch nicht jedem damit geholfen, den Verein zu wechseln, um individuell eine optimale Ausbildung zu bekommen. Die Rahmenbedingungen müssen passen. Gute Spieler aus Lübeck, dem Randgebiet von Hamburg oder aus Kiel nach Wahlstedt zu holen, macht nicht immer Sinn. Wir stimmen eventuelle Wechsel stets mit den Heimvereinen ab, um nicht mehr Schaden zu verursachen, als den jungen Sportlern zu helfen.

SZ: Das klingt alles sehr professionell an. Bleibt da überhaupt Platz für den „Tennis-Normalo“ beim TC Rot-Weiss Wahlstedt?

Dr. Intert: Bei allem Bekenntnis zum Leistungstennis fühlen wir uns verpflichtet, Tennis auch als Breitensport anzubieten. Tennisvereine, Familien oder externe Mannschaften fragen an, ob sie ebenfalls von unserem Angebot profitieren können. Wir wären töricht, wenn wir nicht versuchen würden, auchdieser Nachfrage gerecht zu werden.

 

 

Interview: Jörn Boller